Die Ravekultur bestand schon immer daraus ein freiheitliches Verständnis von Musik und dem daraus resultierenden Miteinander, auch über Grenzen hinaus zu schaffen. Die Geschichte ist davon geprägt abseits konventioneller Wege zu gehen. Abseits aus den Regeln einer eingeengten Clubkultur der Städte und der sich darin befindenden Gesellschaft.
Man spricht des öfteren von illegalen Raves, wenn sich Aktivisten in meist leerstehende „Warehouses“ für eine Nacht niederlassen, um den ungenutzten und vergessenen Platz für etwas mehr Farbe in der Nacht zu nutzen. So war es zumindest Ende der 80s in UK und auch später Anfang 90s in Deutschland und anderswo.
Wenn man sich den aktuellen Stand der Technoszene betrachtet, dann könnte man den Anschein haben, dass neben all den Star-Djs, Popgehabe und den daraus resultieren Gagen und Eintrittspreisen nichts mehr übrig geblieben ist, von den einst so revolutionsartigen Gedanken und Ansätzen dieser Szene.
Doch dem ist zum Glück nicht so. Es gibt sie noch. Die kleinen, eher im Untergrund agierenden Kollektive und Aktivisten deren Leidenschaft ungebremst ist, wenn es darum geht sich unkonventionell und abseits von Normen, elektronische Musik gemeinsamen zu Erleben.
Raveolte ist eines dieser Kollektive hier im Rhein-Main-Gebiet und kaperte vor kurzem einen verlassenen Flugzeughangar im Arboretum in der Nähe von Eschborn. Dort feierten sie mit knapp über 1000 Leuten eine friedliche Party. Doch Ihr Treiben blieb nicht unbemerkt und schon bald standen die Ordnungshüter und auch die Feuerwehr auf dem Gelände.
Wer aber nun dachte, dass der Rave aufgelöst wurde täuscht sich. Laut Medienberichten prüfte die Feuerwehr die Fluchtwege und den Brandschutz und hatte nichts zu bemängeln. Und auch die Polizei lies den Rave weiter gewähren.
Als Begründung wurde von Polizeisprecher Johannes Neumann angeben, dass das Risiko sich auf dem unbeleuchteten Gelände verletzen können, wenn mehrere hundert Menschen bei einem Abbruch gleichzeitig die Halle verlassen müssten, zu groß gewesen sei. Ein dennoch ungewöhliches Agieren der Polizei, ist man es doch eher gewohnt solche Veranstaltungen sofort zu beenden.
Leider hat das Ganze dennoch ein Nachspiel. Denn der Eigentümer der Location, die Bundesanstalt für Immobilienanzeigen, wird Strafanzeige wegen Hausfriedensbruch, Diebstahl und Sachbeschädigung stellen.
Die Geschichte um den illegalen Rave ging auch durch die Presse und die Aktivsten von Raveolte rückten in den Fokus der Journalisten. Im Zuge dessen wurden sie vom Höchster Kreisblatt interviewt. In einem Posting auf Facebook veröffentlichten die Aktivisten das Interview in ungekürzter Länge. Dieses ist nicht nur sehr interessant zu lesen, sondern es zeigt auch sehr gut auf, dass hier Leute aktiv sind, denen es um mehr geht. Wir haben daher angefragt besagten Text hier bei uns veröffentlichen zu dürfen.
Video: Alex Stoll
Ein Redakteur vom Höchster Kreisblatt hat uns kurz nach unserem Rave letzte Woche um ein kurzes Gespräch gebeten. Da wir anonym bleiben wollen und nicht mit einer Zeitung sympathisieren, welche im Falle der ersten Meldung über den Rave lieber nebenher über das Betreten von Obdachlosen auf das Gelände des Arboretums schreibt, statt über Wohnungsnot, Gentrifizierung und Sozialabbau (siehe: goo.gl/TDiruK), haben wir uns entschieden es bei einem schriftlichen Interview zu belassen.
Daraus resultierte folgender Artikel: kreisblatt.dePositiv ist jedoch, dass diesmal Initiative gezeigt und nach Motivation der Veranstalter gefragt wurde! Wir halten es jedoch trotzdem für sinnvoll, einen Teil unserer Korrespondenz zu veröffentlichen.
Hier das Interview:
KREISBLATT: „Zuerst mal, was ist eigentlich der Grund, den Hangar für so eine Veranstaltung auszuwählen, was reizt daran?“
RAVEOLTE: „Grundsätzlich ist es, im Bezug auf die Frage des Reizes, schwierig einen einzelnen, klaren Grund herauszupicken. Wir sind ein Kollektiv, die Frage bezieht sich auf die Wahrnehmung des Einzelnen. Wir sehen unsere Besucher nicht als reine Konsumenten an, die Übergänge zwischen reinen Gästen und direkten Mitwirkenden sind sehr fließend. Das heißt, es wäre auch in einer internen Diskussion schwierig, einen klaren gemeinsamen Nenner heraus zu picken.
Grundsätzlich zeigt die Veranstaltung im Hangar genauso wie alle anderen Raves, welch starkes Bedürfnis danach besteht, einen Raum zu haben, welcher voneinander, füreinander organisiert ist, ohne die Begleiterscheinungen, die das Profitstreben in unserer Gesellschaft mit sich bringen. Wir schaffen es mit unseren Veranstaltungen für einen kurzen Moment aus dieser Struktur herauszubrechen, auch wenn damit in diesem Fall drei Monate unvergütete Arbeit zusammen hängt. Dies zeigt, wie wichtig es für Einzelne, wenn auch vielleicht nur unbewusst ist, einen Raum schaffen, in welchem Leute zusammen kommen, miteinander Kommunizieren, sich kennen lernen und auch lernen, ihre eigene Individualität auszuleben, statt sich durch den alltäglichen Leistungszwang und Konkurrenzkampf spalten zu lassen. Der Hangar bot hier einen wunderbaren Raum an, weil er viel Freiheit für Gestaltung mit sich brachte und gleichzeitig ein Ort ist, an dem man sofort sieht: Hier sind keine Kameras, hier kannst du an den Wänden malen, hier kannst du schreien, toben, lieben, lachen und du wirst nicht dafür diskriminiert, wer du bist.“KREISBLATT: „Wie geht das eigentlich, das Equipment unbemerkt an einen solchen Ort zu schaffen?“
RAVEOLTE: „Dazu werden wir keine Angaben machen, da möglicher Weise derzeit gegen uns ermittelt wird.“
KREISBLATT: „Und wie werden solche Veranstaltungen publik gemacht bzw. die Eintrittskarten verteilt?“
RAVEOLTE: „Die Publikation solcher Veranstaltungen verläuft nicht immer gleich. Im Falle des Hangars war die große Herausforderung, dass sich nicht zu viele Menschen gleichzeitig in Ihr aufhalten, weil die Sicherheit dann nicht mehr zu hundert Prozent gewährleistet werden kann. Deshalb haben nur eine bestimmte Anzahl an Personen aus unseren Freundeskreisen und Personen, welche bereits auf unseren Veranstaltungen waren von uns die Mittel bekommen, die Veranstaltung zu besuchen.“
KREISBLATT: „Ich habe auf Ihrer Facebook-Seite gelesen, dass Sie einen Dialog zwischen Stadtverwaltung, Politik und der Raveinitiative fordern. Gab es da Versuche, und wie soll das unter den Bedingungen der Anonymität funktionieren?“
RAVEOLTE: „Es gab innerhalb der Raveinitiative Frankfurt, von der wir ein Teil sind, letztes Jahr eine große Demonstration, die dies forderte. Der Aufruf wurde veröffentlicht und zumindest nach unseren Kenntnissen wohl auch an das Ordnungsamt weitergeleitet. Nennenswerte Reaktionen von Politik oder Stadtverwaltung gab es keine. Die Hauptforderung innerhalb der Initiative war hauptsächlich, dass wir das Recht auf Veranstaltungen im Raum Frankfurt einfordern, die unserem Selbstverständnis entsprechen (für Selbstverständnis, siehe RaveIni). „Wenn wir auf Stadt, Bewohner und Umwelt achten, sollen diese Veranstaltungen nicht restriktiv durch die Polizei aufgelöst werden dürfen!“
In diesem Sinne sehen wir bei der Veranstaltung im Hangar ein wundervolles und beispielhaftes Verhalten seitens der Polizei und Feuerwehr, wie mit unserer Veranstaltung im Hangar umgegangen wurde. Statt die Veranstaltung prinzipiell, wie es in Vergangenheit bei uns immer der Fall war, für beendet zu erklären, hat die Feuerwehr sich eine halbe Stunde Zeit genommen, um sich hauptsächlich bezüglich der Sicherheit innerhalb der Veranstaltungen umzusehen. Da festgestellt wurde, dass alles gut abgesichert war, es Notausgänge gab und genug Brandschutz eingerichtet wurde, durften wir Ausnahmsweise die Veranstaltung fortführen. Wir begrüßen diese Entscheidung sehr und sehen sie in allen Punkten gegenüber dem Szenario, mit 20 Einsatzwagen die Halle zu räumen, als positiv an.
Ähnliche positive Berichte erhielten wir kürzlich auch von anderen Crews im Raum Frankfurt. Es scheint, als würde die Polizei die Raves vermehrt differenzierter betrachten. Ein fester Bereich, an dem solche Veranstaltungen sicher durchführbar werden können, wäre jedoch trotzdem dringend nötig, da immer noch Unsicherheit in den Crews vorherrscht. Diese Unsicherheit treibt uns in die Illegalität, was auch der Grund ist, wieso uns die Anonymität noch so wichtig ist.“
KREISBLATT: „Symphatischerweise setzen Sie sich für nichtkommerzialisierte Feierkultur ein, ohne jede Diskriminierung und auch ohne Belastung von Umwelt und Anwohnern. Kritiker werden sagen, in Wahrheit gehe es nur um möglichst unkontrolliertes Feiern mit dem Reiz des Konspirativen bzw. Illegalen. Ist nicht meine Meinung, ich kann das gar nicht beurteilen, aber Sie wissen, wie die Leute reden. Was sagen Sie denen?“
RAVEOLTE: „Vielen Dank! Wir denken, im Kern ist nicht entscheidend, ob die Veranstaltung illegal oder nicht ist, sondern die Form in der sie organisiert wird. Wenn diese Halle selbstverwaltet der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden würde, für verschiedene Workshops, soziale Projekte und auch Veranstaltungen, wäre der Reiz noch viel größer. Natürlich gibt es einen Teil der Besucher, welcher hauptsächlich zum konsumieren von einem tollen Event kommt. Das liegt jedoch daran, dass der Zeitfaktor dieses Freiraumes sehr kurz war. Wenn wir lernen, uns gemeinsam etwas tolles aufzubauen, dann ist das der wirkliche Reiz. Der Reiz ist der Kollektivismus und die Liebe zueinander, welche zwar in uns allen vorherrscht, in unserer Gesellschaft jedoch kaum ausgelebt werden kann.“
Video: Max Bolczek