Der HR hat das Undenkbare getan und die YOU FM Clubnight, die wohl älteste und beliebteste Radioshow für elektronische Clubmusik in Deutschland abgesetzt. Dies ist in der Programmbeschreibung auf der Homepage von YOU FM zur Sendung am 7.6.2014 zu lesen:
„Franksen versorgt Euch ein letztes Mal aus dem Studio mit groovigem Sound, für den Anfang einer großartigen Nacht… …ist das heutige Clubnight Warmup der Auftakt zur letzten On Air Show aus dem YOU FM Studio.“
Die allerletzte Sendung wird die Übertragung des Hessentags in Bensheim am 14. Juni 2014 sein. Auf diesem werden unteranderem „Pig&Dan“, „Chasing Kurt“, Tom Wax und natürlich Clubnight-Host Franksen mit dabei sein.
Schon ab dem Wocheende danach startet YOU FM das neue Format, welches nicht mehr auf Moderation und Interaktion live im Studio und mit Gästen setzt, sonder auf Konserve. Die Sendungen lesen sich dann wie folgt im Programm.
- 20:03 Uhr YOU FM Press Play!
Die YOU FM DJs mit dem perfekten Soundtrack fürs Wochenende in the mix - 23:00 Uhr YOU FM featuring…
Die Djs der angesagten Events der House- und Elektroszene in the mix
Die Umschreibungen lassen soundtechnisch nicht unbedingt den bisherigen Standard der Clubnight erwarten, steht doch das Synonym „House- und Elektroszene“ leider mittlweile eher für Mainstram und EDM und ist, wenn man es genau nimmt meilenweit von dem weg, was einst House und Elektro wirklich mal an Bedeutung hatten.
Nachdem die Clubnight erstmals im Mai 1990 auf HR3 das Licht der Welt erblickte, war sie bis 2001 dort jeden Samstag Abend zu Hause. Mit der Neuausrichtung der Senderkonzepte wechselte sie bis 2003 zu HR XXL. Schlussendlich blieb sie nach der Umbenennung des Senders zu YOU FM bis zum Schluss dort. Bei YOU FM wurde die Dauer der Sendung aber von drei auf zwei Stunden verkürzt. Allerdings begann sie ab Ende 2006 bereits um 20 Uhr mit einem zweistündigen Warmup.
Frank Eckert aka DJ Franksen war in dieser Zeit für die Inhalte der Sendung, Moderation sowie die Auswahl an DJ Gästen aus dem lokalen Umfeld in der Vorshow und den internationalen DJ Gästen danach zuständig. Auch dem ein oder anderen unserer Acts der Toxic Family war es vergönnt, in den letzten Jahren sowohl im Warm Up wie auch in der Clubnight selber Gast gewesen zu sein.
Neben dem Essential Mix auf Radio BBC One in England gehörte die Clubnight auch international zu einen der beliebtesten Radioshows. Dies ist vor allem dem Livestreaming im Internet und den Sammlern der Sendung auf Tape in den 90s und später als MP3 zu verdanken. Mittlerweile lassen sich ganze Archive aller bisherigen Sendungen im Internet finden.
Vor allem in den frühen Jahren waren es Künstler wie Torsten Fenslau, Sven Väth, Lady D., Chilly T. und Heinz Felber sowie später Mark Spoon, DJ Dag, Talla 2XLC und Ulli Brenner, welche die Sendung prägten. Legendär sind auch die Liveübertragungen von den Veranstaltungen auf dem Hessentag aus dieser Zeit. Später legten auch immer mehr internationale DJ Größen in der Sendung auf.
Durch die Clubnight wurden nicht nur Generationen an Fans für elektronische Musik gewonnen, sondern sie hat auch viele spätere Künstler in Ihrer Jugend geprägt und beeinflusst.
Das der HR die Sendung nun absetzt, ist für die Fans elektronischer Clubmusik (nicht EDM) eine Schande. In den letzten Jahren wurde das Programm für elektronische Musik immer mehr beschnitten und auf Gleichschaltung mit anderen Sendern angepasst. Seit Neustem hat nun BigCityBeats den Freitag auf YOU FM komplett in der Hand und lässt EDM-Musik ala David Guetta und Co. über den Äther laufen.
Damit reiht sich auch YOU FM in die immer gesichtsloser werdenen Sendern der Republik ein, die vor allem auf Massentrends und erzwungenen jugendlichen Charme setzen. Mit gekünstelten Moderationen und immer wieder den selben musikalischen Mustern aus den Mediacontrol Charts und Co., ist Nischenmusik kaum noch bei diesen Sendern erkennbar oder vorhanden.
So wird es vor allem für die jüngere Generation immer schwerer elektronische Musik jenseits des Mainstreams im Radio der Sender zu entdecken. Eine Entwicklung, die auch im TV schon seit Jahren so ziemlich jede gute Sendung zum Thema hat verschwinden lassen. Da aber TV und Radio oft die ersten Medien sind, über die Jugendliche ihre ersten Musikerfahrungen machen, dürfte es immer schwerer werden „echte“ elektronische Musik aus den Clubs und Underground zu entdecken.
Der Aufschrei in der Szene, dass die Clubnight nun abgesetzt wird, der dürfte entsprechend groß sein und wird sicher auf viel Unverständnis stoßen, denn in der Senderlandschaft sind Radiosender mit Ausrichtung auf moderne Musik oft kaum noch unterscheidbar und die Clubnight war eine der wenigen musikalischen Ausnahmen. Dabei bietet gerade der Sektor der elektronischen Musik eine enormer Vielfalt an unterschiedlichsten Stilrichtungen und könnte eniges an Bereicherungen beisteuern.
Für die moderne Jugend bleibt zum Glück die große weite Internetradio-Welt. Dort lassen sich schon seit Jahren viele Sender mit entsprechenden Angeboten finden. Dank Apps und Internet-Flatrates sind diese mittlerweile auch auf dem Handys, Tabletts und den heimischen PC´s und Laptops zu Hause. Allerdings werden diese erst nach Interesse explizit gesucht, so bleibt die erste Berührung mit Musik immer noch Radio und Fernsehen. Der Wegfall solcher Sendungen, bedeutet somit auch der Wegfall von Nachwuchs, der mit echter elektronischer Musik aus den Clubs so das erste Mal in Berührung kommt.
Als klassischer Radiosender im Frankfurter Raum gibt es allerdings mit Radio X einen Sender, der mit seiner täglichen X-Fade DJ Night, eventuell Fans der Clubnight dazu gewinnen könnte.
Auch wir haben dort an jedem 4. Mittwoch im Monat unsere ToFa Nightshift Sendung, in der wir Musik, Szenetalk und Gast DJs präsentieren. Gäste wie Oliver Lieb, Frank Kvitta, Karotte, Patrick Lindsey, Pierre R.I.P., Bebetta, DJ Dag und auch Franksen, durften wir bereits begrüßen. Das Podcast-Archiv zu den Sendungen könnt Ihr hier finden: s.to-fa.de/tfnssc
Auf Radio Sunshine ist auch noch Karotte mit seiner Sendung Karottes Kitchen anzutreffen. Dort braut er jede Woche Mittwochs von 19-21 Uhr sein musikalisches Süppchen und hält auch weiterhin die Fahne abseits des EDM-Sounds oben.
Kurz nach dem Bekanntwerden des Endes der Clubnight ist auf Facebook ein solidarische Fanseite mit Titel „Rettet die You FM Clubnight – Kein Rundfunkbeitrag für Privatsender“ aktiv geworden und eine Onlinepetition wurde ins Lebengerufen.
Zum Ende der Clubnight-Ära hat Franksen an die Unterstützer der Sendung, so auch an uns, eine paar Worte des Abschieds geschrieben, die wir Euch nicht vorenthalten möchten.
Legenden sterben nie!
Ich möchte mich bei Euch bedanken. Bei hunderten von DJs, Produzenten, Veranstaltern, Bookern, Agenten, Machern und Aktivisten. Und natürlich bei den Hörern der YOU FM Clubnight.
Warum so viel Pathos?Am 14.06.2014 geht senderseitig im 24sten Jahr ihrer Existenz die erste deutsche DJ Radioshow in die ewigen Jagdgründe der Radiogeschichte ein.
Zunächst: Aus Gründen, die persönlich sind, werde ich das Ende der YOU FM Clubnight nicht an dieser Stelle kommentieren und hoffe, auf Euer Verständnis.Ich möchte mich aber bedanken, dass hunderte von Euch Jahr für Jahr mithalfen, der einst als Experiment gedachten Sendung Kultstatus zu verleihen. Ich wette, jeder von Euch hat seine ganz eigene und persönliche Clubnight Erfahrung gemacht. In den frühen 90ern hat eine ganze Generation, unter ihnen nicht wenige namhafte DJs der heutigen Zeit, ihren Techno- und House-Fix durch die ersten, legendären (hr3) Clubnight DJs bekommen. Und so hat die Clubnight immer wieder beim Aufbau der nächsten Generation der elektronischen Musikszene mit gestaltet und dabei den einzigartigen Clubnight-Vibe erfahrbar gehalten: den Vibe einer echten Radioshow mit echtem DJing – den Vibe einer Radiosendung, in der nicht nur die neuesten Promos herzlos zusammengemixt wurden, sondern DJs sich oft schon Wochen zuvor Gedanken gemacht haben, was gespielt wird. Wo Intros produziert und legendäre Sets gespielt wurden. Wo ein Set im besten Falle ein Statement war.
Eine endlose Liste von lokalen, überregionalen, landesweiten und international berühmten Protagonisten zeugt von einem Format, das stilistisch offen war. Es galt nie das reine namedropping, es galt immer: Kann der was? Und dabei spielte es nur eine untergeordnete Rolle, ob man Newcomer aus dem ländlichen Hessen oder bereits etablierter Resident war. Die Clubnight war Schmelztiegel und Prädikat für die hessische Szene und bildete diese repräsentativ ab.
Der Anspruch, immer LIVE zu senden, wurde mit den Jahren immer schwerer, in denen fast alle maßgeblichen DJs immer spiel(t)en am Samstagabend. Und doch: IHR alle habt immer wieder im Studio mitgewirkt. Sei es wegen der Reputation der Show, meinem guten Zureden oder schlicht, da ein Live DJ Set eben doch eine andere Stimmung erzeugt und somit etwas anderes ist als ein homerecorded Podcast. Wo es seltener ein Interview, Clubdates und den menschlichen touch gibt…
Bis zuletzt habe ich versucht, mit Euch, die Clubnight frei von gehaltloser Musik zu halten: Was letztendlich ihrer Geschichte – als Motor der Clubkultur – gerecht war.
Nun ist leider Schluß mit gemeinsamen Nächten im Studio. Am 07.06. muß ich den Fans weltweit das AUS eines Radiokults zu verkünden. Kein schöner Tag. Danach gibt es im Final Countdown noch die Clubnight auf dem Hessentag am 14.06., mit Pig n Dan, Pascal FEOS, Tom Wax, C-Rock, mir und Chasing Kurt.
Und doch blicke ich mit Freude zurück: Wegen EUCH, die ihr alle mitgeholfen habt und immer wieder frische Sounds präsentiert habt, die ihr LIVE dabei wart. EINE SCHÖNE ZEIT, die uns keiner nehmen kann!
THANK U FOR THE MUSIC. Ihr wisst, wer Ihr seid – Und… Bleibt im Groove!
Euer Franksen
2 Kommentare
Hi Grille! Weisst du zufällig wo man heute noch ein komplettes Archiv herbekommen könnte?
Ich finde online immer nur die gleiche „Alle Clubnights von 1990-2014 zum Download“-Liste, wo dann gerade von den schönten Jahren nur vier bis fünf Folgen drin sind ..
Also, ich weiß gar nicht, ob es eine wirklich komplette Sammlung gibt. Alles, was man findet, ist unvollständig, denn es müssten über 900 Sendungen sein.
Eventuell hilft da nur mal im Usenet/Newsgroups zu schauen, ob da vielleicht noch, welche online gingen, die fehlten. Sag mal ein paar Beispiele, welche Du suchst.